Ferdinand Porsche bei Steyr: Genialer Zwischenstopp
Nach seiner Karriere als Technischer Direktor bei der Österreichischen Daimler-Motoren-Gesellschaft Austro Daimler in Wiener Neustadt von 1906 bis 1923 zeichnete Ferdinand Porsche als Vorstandsmitglied sowie Konstruktionsleiter bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft in Stuttgart verantwortlich. Nach einer Fusion mit Benz & Cie zur Daimler-Benz-AG im Jahr 1926 war Porsches firmeninterne Position geschwächt. Er verließ das Unternehmen 1929 aufgrund von Differenzen mit dem Aufsichtsrat und war auf der Suche nach einer neuen Tätigkeit. „Porsches aufwendiger Lebensstil ließ sich nicht mit Untätigkeit vereinbaren“, so schreibt Karl Ludwigsen in seinem Buch „Ferdinand Porsche – Genesis des Genies“.
Dank seiner illustren Laufbahn konnte der 53-jährige Ingenieur aus zahlreichen Angeboten von renommierten Unternehmen wählen. Er lehnte u.a. ein Offert von Skoda ab und entschied sich für ein attraktives Angebot der Steyr-Werke, die ihm die technische Gesamtverantwortung ihrer Automobilabteilung übergeben wollten.
Die ursprünglich als Waffenfabrik gegründete Firma stellte seit 1916 Automobile her und wurde in der Nachkriegszeit direkter Konkurrent zu Porsches letztem Arbeitgeber Austro-Daimler. Ab 1926 firmierte das Unternehmen unter dem Namen Steyr-Werke AG. Am Freitag, den 4. Januar 1929, trat Ferdinand Porsche seine neue Stelle an. Sein engster Mitarbeiter wurde Karl Jenschke, der seit 1922 als Techniker bei Steyr arbeitete.
Ferdinand Porsche wurde bei seiner Rückkehr nach Österreich mit Jubel willkommen geheißen … zu Recht, denn er schaffte es als einer von wenigen Automobilkonstrukteuren sich aufgrund seiner Leistungen einen Ruf von internationaler Bedeutung zu verschaffen. Er zeigte den ÖsterreicherInnen seine Zuversicht für seine neue Aufgabe, indem er gleich den Bau einer Villa auf einem Grundstück der Firma in St. Ulrich veranlasste.
Die Fabrik in Steyr war zwar sehr gut ausgestattet, doch die Stückzahlen zu gering für einen wirtschaftlichen Erfolg. Deshalb ließ Porsche die vorhandenen Modelle überarbeiten und entwickelte zwei neue Wagen – einen Luxuswagen und ein neues Kleinwagen-Modell für die obere Mittelklasse, den Steyr Typ XXX (später Typ 30). Besonders war die Neukonstruktion des Sechszylinder-Motors: Acht Kurbelwellenlager statt den bisherigen vier, Ventilbetätigung mit Stoßstangen und Kipphebeln anstelle einer obenliegenden Nockenwelle, Kurbelgehäuse aus Leichtmetall (Silumin). Der Motor war die Basis für alle weiteren Steyr-Sechszylinder, die bis zum Anfang des 2. Weltkrieges gebaut wurden.
Die Arbeit lief gut, das Team um Ferdinand Porsche meldete zwischen April und Oktober 1929 zahlreiche Patente an, u.a. für Federungen, Radaufhängungen, Kupplungen und Antriebsgelenke, Motorbefestigungen sowie die sehr vereinfachte Wasserpumpe des Typ 30. Zudem überarbeite Porsche einen aus der Arbeit des Ingenieurs und Rennfahres August Momberger vorhandenen Rennwagen, da die ursprünglichen Sporterfolge von Steyr in letzter Zeit abgenommen hatten. Er versah den 5,0 l-Sechszylinder-Motor mit einem neuen Zylinderkopf mit zwei obenliegenden Nockenwellen und einem Flügelzellenlader. Der Wagen fuhr 1930 prompt einen Sieg beim Semmering-Rennen ein.
Im Herbst 1929 hatte Ferdinand Porsche nicht nur ein vollständiges Ausstellungschassis eines Steyr Austria für den Pariser Automobilsalon geschaffen, sondern auch noch zwei vollständige Exemplare mit unterschiedlichen Karosserien fertiggestellt. Ein drittes Exemplar fuhr er selbst nach Paris. Sein Meisterwerk schaffte eine Motorleistung von 100 PS bei 3000 U/min.
Im Jahr 1929 konnte Steyr einen neuen Höhepunkt seiner Produktionszahlen verzeichnen – 4986 Pkw und Lastwagen – und das noch exklusive des Steyr Typ 30, der erst später folgte.
Leider kam dem Erfolg des Unternehmens der 25. Oktober 1929 dazwischen – der „Schwarze Freitag“ der New Yorker Börse. Hauptaktionär und Kreditgeber der Steyr-Werke AG, die Allgemeine Österreichische Bodencreditanstalt, brach zusammen. Die Produktion lief weiter, obwohl die Verkaufszahlen drastisch zurückgegangen waren. Die Verluste stiegen, Entlassungen folgten. Die Creditanstalt am Hof sicherte ab 1930 die Existenz des Unternehmens. Dennoch entstanden mit der Hälfte der Beschäftigten (im Vergleich zu 1928) nur zwölf Automobile, darunter die ersten vier des Typ 30.
Der Vorstand der Steyr-Werke war gezwungen eine „Arbeitsgemeinschaft für Verkaufs- und Einkaufsorganisation“ mit seinem Mitbewerber und Porsches letztem Arbeitgeber, der Firma Autro-Daimler-Puch, einzugehen. In der neuen Interessengemeinschaft, hinter der Porsches ehemaliger Freund und späterer Gegner Camillo Castiglioni stand, war seine Position nicht mehr haltbar. Sein Dreijahresvertrag wurde nach nur einem Jahr vorzeitig gekündigt und er verließ Steyr bereits im April 1930 wieder.
Die Steyr-Werke fusionierten 1934 mit der Austro-Daimler-Puchwerke AG. Nach Zusammenschluss firmierte das Unternehmen unter Steyr-Daimler-Puch AG.